Wilkhahn fördert „Bauhaus bauen“ in Dessau

Wilkhahn fördert „Bauhaus bauen“ in Dessau

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Anlässlich des Bauhausjahres wurde in Dessau ein originales Gebäude der Gestalterschule eingeweiht. Wilkhahn hat es mit passenden Lösungen ausgestattet.

Das Erbe der Moderne weiterdenken – für den niedersächsischen Büromöbelhersteller Wilkhahn ist das keine formalästhetische Formel, sondern gelebte Unternehmenskultur. Das Centennial des Bauhaus-Gründungsjubiläums 2019 bietet für Wilkhahn zudem zahlreiche Anlässe des kulturellen Engagements: Vom Freischwinger-Wettbewerb „Zeit. Bezüge“ über das Wilkhahn-Symposium „Bauhaus: Lehren für eine digitalisierte Welt“ bis zur Unterstützung des Neubaus eines bisher unrealisierten Bauhaus-Typenhauses als universitäres Design-Build-Projekt. Bei letzterem handelt es sich um ein L-förmiges einstöckiges Wohnhaus in Holzbauweise. Ludwig Hilberseimer (1885 – 1967) hatte es 1930 als „wachsendes Haus“ entworfen. 400 Exemplare dieses Typs sollten nach den Plänen von Bauhausdirektor Hannes Meyer und Hilberseimer seinerzeit das Ensemble der Laubenganghäuser in Dessau-Törten ergänzen.

 

Hannes Meyer: Volksbedarf statt Luxusbedarf

Auf Initiative von Philipp Oswalt, Leiter des Fachgebiets Architekturtheorie und Entwerfen der Universität Kassel, wurde es jetzt in Dessau-Törten neu errichtet. Ein Schwerpunkt in der Forschung des Fachgebiets ist das Werk von Hannes Meyer (1889 –1954) und dessen Wirkung. Als zweiter Bauhausdirektor 1928 – 1930 richtete Meyer das Bauhaus neu aus, indem er die enge Zusammenarbeit mit der Industrie forcierte und eine eigene Bauabteilung etablierte. Er suchte nach einer am sozialen Gebrauch orientierten Architektur.

Die Laubenganghäuser wurden damals in der Bauabteilung des Bauhaus‘ nicht nur geplant, sondern tatsächlich – ebenfalls mit Hilfe der Bauhäusler – errichtet. Seit 2017 genießen sie Welterbe-Status. Die 1929 einsetzende wirtschaftliche und politische Krise verhinderte jedoch den Bau der ergänzenden Flachbauten aus Holz. Es wurde 1932 lediglich ein Exemplar für die Ausstellung zum „wachsenden Haus“ in Berlin realisiert. „Der mit Abstand innovativste Beitrag des Bauhaus‘ zum Wohnungsbau ist heute nahezu vergessen,“ sagt Oswalt, der von 2009 bis 2014 auch die Stiftung Bauhaus Dessau leitete. „Zumal er auch nicht in das gängige Bauhaus-Cliché passt: Nicht aus Glas, Stahl und Beton, sondern in einfacher Holzbauweise, preiswert, ökologisch und erweiterbar.“

 

2019: „Reenactment“ des „wachsenden Hauses“ von Hilberseimer

Oswalt hat die Realisierung nachgeholt und das Gebäudes in nur drei Wochen als Design-Build-Projekt mit Studierenden prototypisch errichtet, auf einem vakanten städtischen Grundstück (Mittelbreite 12) direkt neben einem der Laubenganghäuser. „Damit wird erstmalig die innovative städtebauliche Gesamtkonzeption verdeutlicht wie zugleich der nicht minder anregende Haustyp von Hilberseimer präsentiert. Wir korrigieren ein einseitiges Bild des Bauhaus‘ und geben einen Impuls zur heutigen Wohnungsbaudebatte. Zugleich ist dies im Jubiläumsjahr des Bauhaus‘ eine Art Reenactment,“ so Oswalt.

 

Dynamisches Möblierungskonzept für einen offenen Lernort

Wilkhahn fördert das Projekt nicht nur, sondern stattet das für unterschiedliche Nutzergruppen als „Lernort“ konzipierte Gebäude mit einem entsprechend flexiblen Möbelprogramm aus. Schülerinnen und Schüler des Dessauer Walter-Gropius-Gymnasiums haben diverse Nutzungssettings angedacht – vom „grünen Klassenzimmer“ über ein „Reallabor“ städtischer Gemeinschaft bis zum Ausstellungsort und Musterhaus. Für diese vielfältigen, auf Selbstorganisation ausgelegten Szenarien kommt von Wilkhahn dafür  ein flexibles Setting mit dem per Akkubetrieb höhenverstellbaren, beschreib- und klappbaren Timetable Lift (Design: Andreas Störiko) als Hybrid aus Tisch und Whiteboard: Er kann als horizontale Fläche für Workshops und Besprechungen ebenso eingesetzt werden wie als vertikale Präsentationswand. Ergänzt wird er von dem Bewegungs-, Steh- und Stützelement Stitz (Design: ProduktEntwicklung Roericht PER), einem Klassiker aus dem Umfeld der HfG Ulm, jener legendären Nachfolgeschule des Bauhaus‘, mit der Wilkhahn bis zu ihrer Schließung 1968 eng zusammengearbeitet hatte. Stitz wurde von Wilkhahn für Haltungen  zwischen Stehen und Sitzen entwickelt, die  Bewegung und dynamisches Arbeiten fördern. Hinzu kommt der leichte, äußerst kompakt stapelbare Mehrzweckstuhlstuhl Aline (Design: Andreas Störiko): Sein transparentes Netzgewebe und das minimierte Kufengestell sorgen sowohl für eine zurückhaltende Anmutung als auch für federnden Sitzkomfort. Bunte Bewegungshocker aus der Serie Stand-Up (Design: Thorsten Franck) und Sitzböcke (Design: RSW) sorgen schließlich für einen spielerischen Zugang zu neuen Interaktionsformen.

 

Wachsendes Haus wandert

Das Haus selbst ist demontierbar und soll nach anderthalbjähriger Nutzung in Dessau weiterziehen. Im Rahmen der Eröffnung am 11. August 2019 wurde der Schlüssel an den Betreiber, den Deutschen Werkbund Sachsen-Anhalt, übergeben. Neben Oswalt nahmen Prof. Joachim Krausse vom Deutschen Werkbund, Dr. Robert Reck, Beigeordneter für Wirtschaft und Kultur der Stadt Dessau-Roßlau, Nicky Meißner, Vorstandsvorsitzender Wohnungsgenossenschaft Dessau eG, und Burkhard Remmers, Internationale Kommunikation Wilkhahn, daran teil. Als zweiter Standort ist die Umgebung des Hauses Lemke nach Plänen von Mies van der Rohe in Berlin-Hohenschönhausen geplant. Mies hatte hier den Gebäudetyp von Hilberseimer aufgegriffen und in einer luxuriösen Variante als Villa realisiert.

 

Projektbeteiligte

Das Projekt wurde vom Fachgebiet Architekturtheorie und Entwerfen der Universität Kassel geplant und mit fachlicher Unterstützung der Plattform für kollaborative und experimentelle Konstruktionen „Constructlab“ realisiert. Schülerinnen und Schüler des Walter-Gropius-Gymnasiums entwickelten Nutzungsszenarien, die Stadt Dessau-Roßlau stellte das Grundstück zur Verfügung, und die Hochschule Anhalt (Internationales Masterprogramm Design) baute die Website. Der Deutsche Werkbund Sachsen-Anhalt konnte als Betreiber gewonnen werden.